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Elektrischer Triebwagen ET 87


E.T. 831 (spätere ET 87 01) im Frühjahr 1914 in Nieder Salzbrunn

Baureihe/Betriebsnummer:E.T. 831-842 Breslau (1914-1923)
E.T. 501-506 Breslau (1923-1931)
elT 1001-1006 (1931-1940)
ET 87 (ab 1940)
Gattungszeichen:CC 3i tr elS Pr 14+Pw Post3i elT Pr 14/33a+BC 3i elS Pr 14
Achsfolge:2' 1+B1'+1 2'
Höchstgeschwindigkeit:60 km/h
Stundenleistung (bei v in km/h):k.A.
Dauerleistung (bei v in km/h):k.A.
Länge über Puffer:42,52 m
Eigenmasse:76,0 t
Indienststellung:1914
Einsatz in Schlesien:1914-1945

Für den Personenzugverkehr auf den zu elektrifizierenden Strecken in Schlesien sollten neben lokbespannten Zügen auch Triebwagen eingesetzt werden. 1912 bestellt die KED Breslau fünf Triebwagen bei Linke-Hofmann LHW Breslau (Mechan-Teil) und AEG (E-Teil), ein sechstes Fahrzeug wurde 1913 bestellt. Dies war der erste deutsche Vollbahn-Triebwagen, der unter maßgeblichen Einfluss von Geh. Oberbaurat G. Wittfeld konstruiert wurde. Mit Rücksicht auf befürchtete Einbauschwierigkeiten für leistungsfähige Motoren unter dem Fußboden und auf Wunsch, die noch unerprobte elektrische Ausrüstung günstig zugänglich zu haben, wurde dem Vorschlag der AEG gefolgt, einen leicht auswechselbaren Maschinenwagen zwischen zwei kurzgekuppelten Steuerwagen zu positionieren.

Die Wagenkästen besaßen ein außen mit Stahlblechen und innen mit Holz ausgekleidetes Profilstahlgerippe. Das Untergestell bestand aus genieteten Walzprofilen, auf dem Dach befand sich ein Oberlichtaufsatz, der wegen der Hochspannungsleitung mit geerdetem Bleiblech belegt war. Der Maschinenwagen war innen zweigeteilt: der vordere Teil wurde als Gepäck- und Postraum sowie bei Bedarf als  Traglastenabteil genutzt. Entsprechend waren die Fenster vergittert. Das hintere, etwas kleinere Abteil enthielt in der Mitte die verriegelte Hochspannungskammer und diente ebenfalls als Traglastenabteil.  Zwischen den beiden Großräumen befand sich der Abort, der als Trockenklo mit Torfmull als "geschlossenes System" ausgeführt war. Das Fahrgestell bestand aus einem Triebdrehgestell und einem Lenkradsatz. Ein Doppelmotor (doppelt gespeiste 12polige Reihenschlussmotoren) trieb über zwei Zahnradgetriebe, eine Blindwelle im Drehgestellrahmen und Schlitzkuppelstangen die beiden Treibradsätze an. Die Kühlung des Doppelmotors war den schwierigen Gebirgsverhältnissen angepasst und erfolgte über einen gesonderten Ventilator mit von außen angesaugter Fremdluft.

Der Haupttransformator hing in einem ölgefüllten Kessel im Untergestell unter dem Fußboden. Der Trafo war mit 510 kVA Traktionsleistung und 65 kVA Heizleistung ausreichend bemessen. Der Haupt-Ölschalter war ein voluminöser Ölkessel, der bei schweren Kurzschlussabschaltungen auch explodieren konnte. Er wurde deswegen in einer eigenen Hochspannungskammer untergebracht. Die Steuerung erfolgte über eine elektromagnetische Schützensteuerung mit zehn Fahrstufen. Die Schütze waren in Blechkästen unterflur angebracht. Zwei Scherenstromabnehmer Bauart AEG - zuerst mit Alu-, später dann mit Kohleschleifleiste - waren auf dem Dach des Maschinenwagens installiert. Die beiden Endwagen waren aus preußischen Schnellzugwagen abgeleitet und verfügten über je einen Endführerstand. Ihr Fahrwerk setzte sich aus je einem Laufdrehgestell (Schwanenhals-Drehgestell) sowie einem Laufradsatz ("Vereinslenkachse") zusammen. 

Eine Einheit bot 140 Fahrgästen Platz. Der a-seitige Steuerwagen war der 2. und 3. Wagenklasse vorbehalten: drei Abteile 2. Klasse in Polstersitzen (2+2), getrennt nach Nichtrauchern, Rauchern und Frauen (!), gefolgt von einem  Großraum 3. Klasse mit Holzlattenbänken 3+2 (nur für Raucher!). Der b-seitige Steuerwagen verfügte über zwei Großraumabteile 4. Klasse mit einfachen Bänken (getrennt für Reisende mit Traglasten und Frauen) sowie ein 3. Klasse-Abteil (3+2) für Frauen und ein Großraum 3. Klasse für Nichtraucher. Die Triebzüge hatten keine elektrische Bremse, sondern verfügten über eine einlösige Knorr-Druckluft-Klotzbremse, die nur auf Triebdrehgestell und Drehgestellradsätze wirkte. Der dazugehörige Kompressor befand sich im Maschinenwagen. Die Heizung erfolgte in allen drei Wagen rein elektrisch über Widerstandskörper.

Die Triebwagen versahen ab 1914 ihren Personenzugdienst auf der Strecke Nieder Salzbrunn-Halbstadt, ab 1921 auch zwischen Ruhbank, Liebau, Landeshut und auf Abschnitten der Schlesischen Gebirgsbahnen. Ab 1928 liefen sie auch auf der Strecke Lauban-Marklissa bzw. Kohlfurt. Bei erhöhtem Verkehrsaufkommen standen drei Beiwagen zur Verfügung. Die Fahrzeuge erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen, auch wenn es am Anfang immer wieder technische Probleme gab (in den Jahren 1925/26 baute die AEG die störanfälligen Fahrmotoren auf die inzwischen anderweitig bewährte einfache Reihenschluss-Schaltung um, was u.a. zu einer Leistungssteigerung auf 500 kW mit sich brachte). elT 1002 verunfallte 1937 und musste ausgemustert werden; alle anderen Fahrzeuge waren bis Kriegsende im Betriebseinsatz. Drei Einheiten konnten kurz vor Kriegsende noch nach Bayern überführt werden; zwei Einheiten verblieben in Schlesien und wurden später als Reparationsgut in die UdSSR verbracht.




Auslieferung des E.T. 835 (späterer ET 87 02) durch LHW im Frühjahr 1914


E.T. 831 während der Aufnahme des elektrischen Betriebes im Frühjahr 1914 in Nieder Salzbrunn


ET 87 03 in Dittersbach (1932)


ET 87 04 im Bahnhof Hirschberg, abfahrtbereit nach Schmiedeberg


ET 87 in Schmiedeberg auf der Strecke Hirschberg-Landeshut 


ET 87 im Sommer 1937 auf der Strecke nach Krummhübel (Wunschel)




Literaturverweis:

Kleinow: Dreiteiliger Wechselstrom-Triebwagenzug für die elektrische Zugförderung auf den schlesischen Gebirgsbahnen,
Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen, Heft 5, 1915, S. 51-53; Heft 7, S. 73-77; Heft 9, S. 97-11



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